Irgendwie lesen sich die Reaktionen/ Kommentare auf die aktuelle Situation am Hamburger Hauptbahnhof und Emmas Hilferuf ziemlich abstrus – wenn man, wie ich seit 12 Wochen in der Flüchtlingshilfe aktiv ist.

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Ich mag das Wort ehrenamtlich nicht besonders. Es klingt so leer. Gibt überhaupt nicht das wieder, was wir täglich leisten. Wir halten nicht irgend ein Amt in Ehren – wir Malochen bis zum Umfallen. Wir arbeiten. Unentgeltlich. Tag für Tag. Zeitweise bis zu 16 Stunden. Und man lässt uns ziemlich allein. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Sind wir jetzt arme Irre, die mit einem Helfersyndrom durch die Gegend laufen? Oder ist es nachvollziehbar, dass man einfach nicht wegschauen kann oder will.

20150823_145729Wir sind keine Helfer. Ich hasse dieses Wort. Wir sind Menschen. Die aktiv sind. Die sich einsetzen. Die etwas tun. Und zwar dort, wo Staat und Politik versagen. Wir arbeiten in humanitären Grenzbereichen. In Extremsituationen.

Die Arbeit stresst mich nicht. Ich bin ziemlich gut ausgebildet. Wir sind aber auch in der Situation, dass uns von so vielen Leuten geholfen wird. Was mich stresst, ist, dass ich selber in eine existentielle  Notsituation gerate.

Denn als Selbstständige bin ich zwar in der Situation, dass ich mir meine Zeit frei einteilen kann, die Selbstständigkeit bringt es aber leider auch mit sich, dass ich nur Geld verdiene, wenn ich „arbeite“. Wenn ich etwas tue, was ich in Rechnung stellen kann. Jede Stunde, die ich in der Flüchtlingshilfe aktiv bin, verdiene ich keinen Euro.

Und sorry, Moralapostel und Ethiker können mich kreuzweise bzw. haben den Schuss nicht gehört. Hier geht es nicht darum, mit dem Leid oder der Not anderer Menschen Geld zu verdienen, sondern für das was man tut, einen Ausgleich zu bekommen.

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12072829_1055543271131474_6053209652444143457_nWo wäre die Stadt Hamburg ohne die vielen Menschen, die Tag für Tag dafür sorgen, dass die täglich bei uns ankommenden Menschen wenigstens mit einem Grundbedarf an Allem versorgt werden? Es ist mir ein Rätsel, warum keine Gelder für die sich Engagierenden freigemacht werden.

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Einfach mal so. Ohne das man auf die Barrikaden gehen muss. Das ist doch eindeutig das falsche Signal. Was ist das bitte, lieber eine Kampagne „Stärkt das Ehrenamt“ zu schalten, als angemessen oder wenigstens aber den Mindestlohn zu bezahlen.

Ich habe kein Helfersyndrom, ich will nicht wegschauen, ich fühle mich verpflichtet, verantwortlich. Ich bin Mensch.

Und verdammt noch mal, wir machen hier keinen Ringelpiez mit Anfassen. Wir arbeiten! Jeder Einzelne.

20151017_124707Das ist Arbeit, was wir tun. Wir tun es freiwillig. Ja klar. Niemand zwingt uns. Warum wir das tun? Weil wir Langeweile haben natürlich.

Wir fühlen uns verantwortlich. Wir sind an keinen Arbeitsvertrag gebunden. Es gibt aber auch kein Arbeitsschutzgesetz, was uns davor bewahrt, mehr als 8 Stunden zu arbeiten. Es gibt keine Gewerkschaft, die sich für uns einsetzt. Wir haben keine Lobby.

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Außer die tollen Menschen, die uns Brote schmieren. Die dafür sorgen, dass wir „Helfer“ nicht kraftlos zusammenbrechen. Die selber kommen und mit anpacken. Die uns Arbeitsmaterial zur Verfügung stellen. Da sind wir wieder ALLE, oder? Aber ganz ehrlich, masst sich ernsthaft jemand an, dass WOHLWOLLEND zu betrachten? Wir sind in einer Krise.

Ich kann es nicht oft genug sagen – WIR HELFEN NICHT – WIR ARBEITEN.

WIR VERSORGEN. WIR ÜBERNEHMEN. WIR MANAGEN. WIR SICHERN. WIR BAUEN.

Wir helfen nicht bei irgendwas – Wir tun etwas.

Wer zum Teufel schwingt sich auf das hohe Roß und nennt uns Helfer. Sorry, Helfer hört sich in diesem Zusammenhang so bescheuert, so herabwürdigend an. Wir sind nicht Helfer. Und eigentlich würden wir lieber agieren, nicht ständig nur reagieren.

Oder habe ich irgendetwas verpasst?